Die sich wandelnde Geschichte der Bibliotheken in Frankreich
zwischen machtvollen Zentren des Wissens für eine kleine Elite zu öffentlichen Recherche- und Austauschorten über Bücher-Friedhöfe
Ein Vortrag von Suzanne Bohn
Anlässlich des 100. Geburtstages der Stadtbibliothek Offenbach wurde Suzanne Bohn 2007 gebeten, über die Geschichte der Lese- Arbeits-und Bildungsräume in Frankreich zu referieren.
Die Bibliotheken sind heilige Orte, in denen das kulturelle Erbe unserer Vorfahren aufbewahrt wird. Die berühmteste öffentliche und universale Bibliothek der Antike ist die von Alexandria mit 700,000 Dokumenten auf Papierrollen, die drei Jahrhunderte vor J.C. entstand und auf mysteriöse Weise (vielleicht durch einen Brand) vernichtet wurde. Dieser Schatz machte aus Alexandria ein kulturelles Zentrum der damaligen Zeit, das Gelehrte aus aller Welt lockte. Ein Ort der Aufbewahrung und der Verbreitung des Wissens. Die ersten Bibliotheken auf westlichem Boden waren Machtzentren in den Händen weniger Auserwählte, zu denen im Mittelalter die Kirche und die Könige gehörten, Monopolisten des Wissens, die ihren Schatz einer kleinen auserwählten Elite zugänglich machten. Die ab dem XIV. Jahrhundert zugelegten königlichen privaten Bibliotheken waren mobile Bibliotheken, die mit dem jeweiligen König von Schloss zu Schloss auf Reise gingen. Die erste große Bibliothek der westlichen Welt soll die des französischen Königs Karl. V, der von 1364 bis 1380 regierte. Sie gilt als der ersten Grundstein der Königlichen Bibliotheken die von Generation zu Generation erweitert und weiter vererbt wurde und die Schöpfung einer neuen Berufssparte notwendig machte, die der Bibliothekare zur Pflege, Klassifizierung, Auflistung und Aktualisierung des Bücherbestands. Diese königlichen Bibliotheken mündeten in der Gründung der Nationalen Bibliothek Frankreichs. Der Vortrag streift auch die verheerende Episode der Französischen Revolution, die die Vernichtung der privaten Bibliotheken nach sich zog und ein den Kommunen auferlegtes, willkürliches Zwangsaufbewahren des Nationalen Gutes und des Kulturerbes in ihren Rathäusern zur Konsequenz hatte: Dort fristeten die ehemaligen Schätze ihr Dasein als wahre Buch-Friedhöfe , bis sie sich endlich den neuen Lesebedürfnissen einer Gesellschaft im Wandel anpassten.