Jeanne Proust

 


Die beste und geliebteste Mutter der Weltliteratur ist nicht in die Geschichte eingegangen. Doch ohne sie hätte es den größten französischen Schriftsteller Marcel Proust nicht gegeben. Das 7bändige Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ wäre nie entstanden. Es kam zustande als Wiedergutmachung den Eltern und besonders der über alles geliebten Mutter gegenüber, die der Autor so bitter enttäuscht hatte. Proust war sich dessen bewusst, ihr durch das parasitäre Leben eines Lebemanns, welches er ständig führte, großen Kummer bereitet zu haben. Posthum wurde Jeanne Proust zu der Mutter einer Glorie der französischen Literatur gemacht. Posthum wurde sie zur geliebtesten Mutter der Literatur gemacht. Gibt es eine größere Liebeserklärung von einem Sohn an seine Mutter? Madame Proust entstammt einer deutschen jüdischen Familie. Ihr Großvater, Baruch Weil (Weyl), im elsässischen Obernai geboren, kam als Kind mit seinen Eltern nach Bürgel- am- Main, bei Frankfurt a. M.. Er lernt (in Höchst-a. M.) den Beruf des Porzellanherstellers, emigriert mit 19, nach der französischen, judenfreundlichen Revolution von 1789, nach Fontainebleau, wo er die damals florierende „Porzellanfabrik Baruch Weil“ gründet. Die Weils sind assimilierte Juden. Aus ihnen sind gute Franzosen geworden. Juristen, Unternehmer, Finanzleute, sogar Minister weist die weit verzweigte Familie vor: Sie sind zweifellos im Bürgertum angekommen. Doch der Schein trügt: Die Ächtung aufgrund des Judentums ist nie weit. Deshalb, als sich für die 21jährige hübsche und gebildete Jeanne Weil 1870 die Möglichkeit einer exogamen Heirat bietet, greift sie sofort zu: Die reiche Pariserin heiratet den 15 Jahre älteren Arzt Adrien Proust, Sohn eines kleinen Lebensmittelhändlers aus der Provinz (Illiers, als Combray im Werk von Marcel Proust verewigt) und Katholik dazu. Jeanne übte die Rolle der Gattin eines angesehenen Medizinprofessors perfekt aus. Sie war zudem das geborene Muttertier. Mutter von zwei Buben, Marcel und Robert, wird sie in ihrer Aufgabe vollends aufgehen. Vielleicht zu sehr auch, denn ihr Erstgeborener Marcel wird auf neurotische Weise auf sie fixiert sein und noch mit 17 in einem berühmt gewordenen Fragekatalog auf die Frage „Was wäre für Sie das größte Unglück?“ antworten: „Von Mama getrennt zu werden“. Inwiefern Jeanne Proust die Lebensuntüchtigkeit ihres Sohnes, mit verursacht hat, kann hier nicht beantwortet werden. Hier wird nur eine interessante Frau, eine liebende Mutter vorgestellt, die ungewöhnliche Aufgaben zu bewältigen hatte. Als Mutter eines hoch sensiblen , eines schwer kranken und homosexuellen Sohnes, als Amme eines Talents, das sich ewig lang nicht manifestieren wollte, als geduldige Assistentin desselben (sie, die Anglicistin, übersetzte für Marcel aus dem Englischen), war sie permanent zweigeteilt zwischen ihrem mütterlichen Trieb, und dem pragmatischen Erziehungsziel, aus Marcel einen Mann zu machen.

 

Suzanne Bohn gibt hier Einblicke in das jüdische Leben, in die Kreise der patriarchalischen Bourgeoisie des 19 Jahrhunderts und in das Mythos? der Mutterliebe (angeboren oder anerzogen?).

 

 

 

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